Heute geht es um einen Satz, der aus der Belletristik nicht
wegzudenken ist. Lauren Oliver hat es in ihrer Amor-Triologie ganz treffend
formuliert: Frei sein oder tot. Aber
was genau soll das bedeuten?
Im Grunde genommen geht es doch um einen ganz simplen
Gedanken: Entweder, ich kann mich aus allem befreien, aber wenn nicht, dann
würde ich eher den Tod wählen als die Alternative. Und was ist das anderes als
der Grundgedanke einer jeden Revolution?
Revolutionen sind aus unserer Gesellschaft genauso wenig
wegzudenken wie der ihnen zu Grunde liegende Freiheitsgedanke. Kleine
Revolutionen, große Revolutionen. Gescheiterte und gewonnene Revolutionen.
Revolutionen der Arbeiterklasse und Revolutionen der Elite. Ich kann sie kaum
noch zählen, so viele sind es. Und sie alle haben etwas gemeinsam: Ihre
Anhänger sind zu allem entschlossen und würden lieber sterben als zu scheitern.
Freiheit ist ein Ideal, dass sich durch unsere gesamte
Geschichte schlängelt und sich überall, an den seltsamsten Stellen, festbeißt.
Zumal es lange gedauert hat, an den Freiheitsgrad zu gelangen, den wir heute in
der westlichen Welt genießen können. Doch das Ende des Weges haben wir noch
lange nicht erreicht. Nur ist die Frage: Ist die absolute Freiheit überhaupt
erstrebenswert? Eine Welt ohne Grenzen, ohne Regeln, in der alles erlaubt ist.
Keine Verbote, keine Einschränkungen. Auf den ersten Blick, auf der ersten
Seite, klingt das wirklich wunderbar. Doch bereits auf der zweiten Seite des
Buches beginnen die Probleme. Denn keine Verbote heißt, alles ist erlaubt. Also
auch Diebstahl, Vergewaltigungen, Körperverletzungen und sogar Mord. Und
niemand wäre da, der uns schützen könnte. Keine Polizei, kein Militär. Wir
wären auf uns gestellt. Wir würden wie Tiere übereinander herfallen, weil uns
keinerlei Regeln davon abhalten würden. Wie in „Purge Day“, nur jeden einzelnen
Tag.
Somit ist doch ein gewisses Mittelmaß das Einzige, was unser
Leben wirklich lebenswert macht. Soviel Freiheit wie möglich, so wenige Regeln
wie nötig. Was zwar immer noch ganze Regale voller Gesetze mit sich bringt,
aber was solls. Würde man nicht für alles Spezial- und Spezialstfälle
aufstellen, so bin ich sicher, könnte man alle Gesetze in einigen wenigen
zusammenfassen. Nur dafür sind wir ein wenig zu kleinlich und bürokratisch.
Trotzdem werden nach Möglichkeit so viele Freiheiten wie überhaupt denkbar
festgehalten und sind laut Grundgesetz unantastbar, dürfen, anders als früher,
niemals eingeschränkt oder auch nur angetastet werden. Freiheit der Person,
Glaubensfreiheit, freie Meinungsäußerung, Pressefreiheit, Freiheit der Lehre,
Versammlungsfreiheit usw. usw. Es sind erfreulich viele.
Und die Orte, an denen es nicht so ist wie bei uns? Was wird
aus denen? Der Freiheitsgedanke kann, das glaube ich zumindest, niemals
abgestellt werden. Er ist quasi ein Teil von uns. Der Mensch strebt immer nach
mehr. Also auch nach mehr Gleichberechtigung, nach weniger Unterdrückung, nach
mehr Freiheit. Ich bin der festen Überzeugung, dass es in Ländern, in denen
nicht ein gewisses Maß an persönlicher Freiheit herrscht, irgendwann immer zu
einer Veränderung kommen wird, entweder durch eine Revolution oder wenn nicht
durch eine solche, dann doch wenigstens durch Reformationen. Selbst wenn die
Menschen zu viel Angst haben, um irgendetwas zu tun, irgendwann wird das Fass
voll sein und überlaufen, und dann wird sich die Wut der Menschen entladen und
sie werden sich ihre Freiheit nehmen, gemäß der Überzeugung: Freiheit oder Tod.
Allerdings gibt es einen Bereich, in dem dieser Gedanke eine
noch viel größere Bedeutung hat als in unserer heutigen Realität: Die Fiktion
ist ein sehr großer Anhänger der „Alles oder Nichts“-Theorie. Dieser Satz ist
zu einem ihrer zentralen Gedanken, einer fixen Idee, einem Mantra geworden.
Einem Traumbild, dem Helden nachjagen. Denn es sind unbestreitbar die Helden
unserer Lieblingsbücher, für die dieser Satz eine zentrale Bedeutung hat und
ihren Lebensinhalt darstellt. Sie sind es, die dem Ideal der Freiheit am
nächsten kommen wollen und bereit sind, für ihren Traum alles zu geben. Sie
sind es, für die Freiheit nicht nur ein Gedankenspiel und etwas Reales ist,
sondern die wissen, dass die Welten, in denen sie leben, unfrei sind und
deshalb die Grenzen durchbrochen werden müssen. Dass ihr Leben nur besser
werden kann, wenn sie bereit sind, loszulassen und etwas zu riskieren. Und sie
sind diejenigen, die alles riskieren und sich aufopfern für das, an das sie
wirklich glauben. Ihre Freiheit. Und Gerechtigkeit. Meistens - eigentlich immer
– gehen diese beiden Gedanken Hand in Hand.
Reißt die Mauern ein.
Freiheit oder Tod.
Und seien wir doch mal ehrlich: In welcher Dystopie gibt es
keinen Widerstand, keine Revolution? Die Tribute von Panem, die Amor-Triologie,
Hüter der Erinnerung, selbst in Selection, dass ja eigentlich eher eine
Liebesroman-Reihe als eine Dystopie ist, gibt es Widerstandsbewegungen und
(Achtung Spoiler!) am Ende einen relativ rapiden Umschwung. Und immer leben die
Hauptfiguren in diesen Romanen in Welten, deren menschliche Freiheiten eingeschränkter
sind als unsere heutigen. Immer erkennen unsere Helden Ungerechtigkeiten,
begehren auf und bekommen die Folgen zu spüren, sowohl die positiven als auch
die negativen. Denn welche Revolution läuft ohne Tote und menschliche Verluste
ab? Spricht das nicht eigentlich gegen das Aufbegehren?
Für mich kann es darauf nur eine Antwort geben: Nein. Denn
das Problem ist ja nicht die Freiheit, auf die man hofft. Das Problem ist die
Ungerechtigkeit, gegen die man sich auflehnen muss. Und die Weigerung derer,
die Unrecht haben und meistens in solchen Szenarien die Macht, ihren Fehler
einzusehen und nicht weiter auf ihrem – falschen – Standpunkt zu beharren. Erst
das macht das Ganze zu einem wirklichen Problem. Aber würde man mich fragen, so
wäre ich in vielen der in Romanen aufgeführten Fällen mit an vorderster Front
dabei. Freiheit ist für mich etwas ziemlich wichtiges. Die Freiheit zu haben,
Sachen machen zu dürfen, aber nicht
zu müssen. Es ist ein gutes Gefühl, in einer Welt zu leben, in der mir solche
Freiheiten gegeben sind. Aber wäre das anders… Nun ja, ich sehe mich selbst
manchmal gerne als kleinen Rebell. Würde ich etwas finden, für das es sich zu
kämpfen lohnt, so würde ich kämpfen. Würde ich etwas finden, dass falsch läuft,
dann würde ich es ändern wollen. Und ich würde nicht nur. Genau betrachtet ist
es auch so. Zumindest manchmal und zumindest bei einigen Sachen, die ich als
wichtig erachte.
Aber Freiheit um jeden Preis? Alles zu riskieren? Ich
glaube, man muss dafür auch ziemlich verzweifelt sein. Verstoßen. Ausgegrenzt.
Missverstanden. Verfolgt. Oder absolut beseelt von dem Wissen, dass der eigene
eingeschlagene Weg der einzig richtige ist. Denn Fakt ist doch: Alles zu riskieren ist für uns
schwer vorstellbar. Weil wir viel haben. Weil wir tief fallen können.
Doch unsere Romanhelden zeigen, dass es sich lohnt. Dass man
zumindest versuchen muss, die Mauern einzureißen und Grenzen zu überschreiten.
Lieber den Tod zu wählen als das Scheitern, als das Aufgeben. Denn Fakt ist
doch: Wenn man nie etwas riskiert, wie kann man dann wissen, dass es nicht noch
besser werden kann?
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