Freitag, 2. September 2016

[CLASSIC CONFESSIONS - NO. 14] Was glaubt ihr, macht einen Klassiker letztendlich zum Klassiker?

Nachdem ich nun in die letzte finale Phase vor meiner praktischen Fahrprüfung gestartet bin, melde ich mich heute wieder etwas - wie könnte man es anders erwarten - verspätet mit der dieswöchentlichen Classic-Confessions-Frage zurück. Der Grund? Madame legt offensichtlich alles daran, einen Serienmarathon hinzulegen. Und zwar von sämtlichen deutschen Quantico- und Castle-Folgen die es gibt. Naja, man hat ja auch sonst nichts zu tun, da ja auch meine Seedread-Bestellung immer noch nicht eingetrudelt ist.

Da freut es mich fast schon, dass nächste Woche endlich das "Studentenleben" losgeht. Nein, keine Angst, der Semesterbeginn wurde nicht nach vorne gezogen. Ich hab mich für einen zweiwöchigen (?) Vorkurs in Chemie angemeldet. Damit ich ja nicht zu unvorbereitet in mein Studium starten muss. Naja, und weil ich in der Oberstufe kein Chemie mehr hatte, das aber im Studium definitiv brauchen werde. Blöde Abwählerei. Blöd, dass man eine Naturwissenschaft abwählen muss, das aber zum Beispiel mit Kunst oder Religion nicht kann. Naja, es wird ja Abhilfe geschaffen. Und ehe ich einen Nervenzusammenbruch über unser wirklich teilweise sehr vermurkstes Schulsystem bekomme, weil ich mich so sehr aufrege, komme ich liebe zu den Classic Confessions der lieben Antonia zurück. Also, Vorhang auf!

Was glaubt ihr, macht einen Klassiker letztendlich zum Klassiker?


Über diese wirklich philosophische Frage musste ich eine ganz schöne Weile nachdenken. Zumal ich keine Ahnung von Philosophie habe. Naja, Sofies Welt wollte ich eh schon lange lesen. Vielleicht wird es ja jetzt endlich mal was. Aber ich denke, das Entstehen eines Klassikers wird von mehreren Faktoren beeinflusst, die am besten alle zusammen kommen.

Zum einen wäre da natürlich der unvermeidliche Hype eines Buches. Ich denke, (fast) jeder Klassiker war zu seiner Zeit auch das, was man heute Bestseller nennt, mit hunderten und tausenden und abertausenden von verkauften Büchern und riesigen Fangemeinden, die die Erinnerungen an dieses Buch am Leben gehalten haben. Denn auch große Meisterwerke und zu ihrer Zeit gefeierte Autoren sind heute größtenteils in vollkommene Vergessenheit geraten.

Auch wichtig ist meiner Meinung nach die Kombination von Inhalt und Sprache. Die Grundlage aller guten Bücher und damit auch die der Klassiker ist eine spannende, außergewöhnliche Geschichte, die nicht schon hunderte Male erzählt wurde. Dazu muss aber gleichzeitig auch die sprachliche Ausgestaltung passen: hochwertig, aber passend zur Situation. Denn wenn man die Geschichte beispielsweise aus der Sicht eines armen ungebildeten Kindes schreibt, muss man anders schreiben als beispielsweise aus der Sicht eines Advokaten. Und das Buch an sich muss ansprechend sein, vor allem auf emotionaler Ebene. Die meisten Klassiker zeichnen sich durch ausgeprägte Gefühlswelten, in die der Leser unweigerlich hineingezogen wird, aus.

Meiner Meinung nach ist aber auch das Thema Grenzgänger ein wichtiger Aspekt. Warum? Ein Tabubruch hat die Menschen schon immer fasziniert, ihre Fantasie beflügelt und die Bekanntheit eines Romans umso mehr beflügelt. Ein Beispiel? Mit "Die Leiden des jungen Werther" hat Johann Wolfgang von Goethe zum aller ersten Mal in der Geschichte der Literatur "den Selbstmord, eine Todsünde, zu seinem zentralen Thema [gemacht] - und das, ohne ein Urteil über Recht oder Unrecht, Moral oder Unmoral zu fällen, viel eher nach Art eines medizinischen Fallbeispiels" (Zitat aus Frauen und Bücher. Eine Leidenschaft mit Folgen von Stefan Bollmann, Seite 78/79, erschienen im September 2015 im btb Verlag). Und das ganze verdichtet zu einer Liebesgeschichte, "die Wellen bislang unbekannter Höhe und Intensität schlug, sozusagen ein Tsunami der Gefühle" (ebenfalls aus Frauen und Bücher, Seite 76). Und das ist nur ein Beispiel. Wenn man berühmte Klassiker untersucht wie Shakespeares Dramen oder Goethes Werke, so wird man bei vielen Tabubrüche entdecken: Hamlet widersetzt sich dem König, um Gerechtigkeit für seinen Vater zu bekommen, und spielt Geistesverwirrtheit vor. Woyzeck begeht einen Mord, nachdem er durch eine Erbsenkur geistig völlig instabil wird. Sowohl Romeo und Julia als auch Ferdinand und Luise widersetzen sich der elterlichen Gewalt, zur Zeit des Erscheinens der betreffenden Werke ein No-Go. Werther begeht Selbstmord. Und das sind nur einige Beispiele.

Aber ich denke auch, dass der Autor an sich eine Rolle spielte. Man merkt es auch bei heutigen Bestsellern. Ist der Autor bereits mit einem Werk berühmt geworden, ist es nicht schwer, zum einen einen Verlag zu finden, zum anderen Menschen, die den Roman kaufen. Heute sind uns fast alle von Shakespeares Dramen überliefert. Warum? Natürlich sind sie einzigartig, aber nachdem er einmal einen glorreichen Start hingelegt hatte (wenn man das so nennen möchte), haben die Menschen auch die Augen nach seinen folgenden Werken offen gehalten. Ein anderes Beispiel für die Sache mit den Verlagen? Mit "Schlafes Bruder" schrieb Robert Schneider ein Buch, das zum Klassiker mutierte, jedoch anfangs keinen Verlag fand. Als der Autor nach diesem Erfolg einen weiteren Roman schrieb, rissen sich zahlreiche Verlage darum, ihn veröffentlichen zu dürfen. Und das, obwohl er nach späterer Ansicht und auch nach damaliger, ein absoluter Flop war und nicht annähernd so gut wie Schneiders erster.
Aber auch die Frauenfrage spielt eine Rolle. Bis zur Veröffentlichung der Jane-Austen-Romane und Mary Shelleys "Frankenstein oder der moderne Prometheus" sind keine Romane weiblicher Autoren überliefert. Und das nicht, weil Frauen nicht schrieben. Ihnen wurde nur von ihren männlichen Kollegen und vor allem den Kritikern jegliches schriftstellerisches Talent abgesprochen und ihre Romane ohne besondere Kenntnis des Stoffes in der Luft zerfetzt, sodass heute viele Kunstwerke nicht mehr überliefert sind.

Zusammengefasst kann man also feststellen, dass die Entstehung eines Klassikers von vielen unterschiedlichen Aspekten abhängt, die alle Bereiche des Buches einbezieht und von der richtigen Kombination von Inhalt, Sprache und Umsetzung abhängt. Man kann also nicht sagen, dass nur dieses eine Detail zählt. Es ist wie alles in unserem Leben ein Gesamtkunstwerk.

Wie seht ihr das? Was macht ein literarisches Werk eurer Meinung nach zu einem Klassiker und was nicht? Hinterlasst mir doch einen Kommentar oder schaut euch hier den Mutterpost auf Antonias Blog "Lauter&Leise" an. Ich wünsche euch noch ein schönes Wochenende und nicht vergessen: Lest schön!
Eure Skylife

4 Kommentare:

  1. Huhu!

    Vorkurse sind eine sehr sinnvolle Sache! Bei mir war es Mathematik, die dringend nochmal aufgebügelt werden musste, weil sie ein Hauptfach in meinem Studium war und ich in der Schule nicht soooo die Leuchte darin war. Aber dank Vorkurs und auch ausdauerndem Büffeln daheim gehörte ich dann zu den 12% (!!!), die nicht durch die ersten drei Klausuren gerasselt sind.

    "Sofies Welt" kann ich übrigens wirklich empfehlen, und jetzt, wo ich darüber nachdenke, ist das Buch für mich auch ein moderner Klassiker!

    Eigentlich würde ich dir in den meisten Punkten zustimmen, und zum Thema Inhalt wollte ich erst etwas ganz Ähnliches schreiben - aber dann ist mir "Miss Dalloway" eingefallen, das ein Klassiker ist, obwohl es eigentlich keine nennenswerte Handlung hat! Deswegen würde ich sagen, normalerweise braucht ein Klassiker schon eine außergewöhnliche Geschichte - außer, das Buch hat stattdessen einen ganz außergewöhnlichen Schreibstil oder etwas Anderes, was es aus der Masse heraushebt.

    An Tabubruch habe ich gar nicht gedacht, aber es macht Sinn! Wenn ich jetzt darüber nachdenke, beschäftigt sich zum Beispiel "Miss Dalloway" auch mit etwas, das damals bestimmt kein viel besprochenes Thema war: ein aus dem Krieg zurückgekehrter Soldat leidet ganz offensichtlich an post-traumatischen Stress, was aber zur damaligen Zeit noch ein eher unbekanntes Phänomen war und ihm daher als Schwäche ausgelegt wird, bis er sich letztendlich umbringt.

    Für mich hat ein Klassiker vier Kriterien: er muss viele Menschen ansprechen, aber auch zeitlos sein, eine gewissen Qualität mitbringen und in irgendeiner Form zum Nachdenken anregen oder mir etwas beibringen. Mein Beitrag für diese Woche:

    LG,
    Mikka

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    1. Hallo Mikka

      Es freut mich für dich, dass du dank Mathe-Vorkurs so gut geworden bist. Da sieht man mal wieder, dass es sehr sinnvoll ist, die anzubieten. Hoffentlich wird es bei mir genauso.

      Danke auch für deine Empfehlung. Ich werde mir in naher Zukunft ganz gewiss "Sofies Welt" kaufen, vielleicht zum zweiten Testkauf bei seedread.

      Es ist schön, zu sehen, dass wir im Großteil unserer Antworten überein stimmen. Das gibt das Gefühl, dass Klassiker für viele das selbe ist.

      LG Skylife

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  2. Heyho!

    Bevor ich an den eigentlichen Kommentar zur Classic Confessions-Frage gehe, möchte ich feierlich verkünden, dass ich dich zueben für den LIEBSTER award getaggt habe. Es würde mich sehr freuen, wenn du mal vorbeischaust ^^

    http://derzauberkasten.blogspot.nl/2016/09/liebster-award-4.html

    Ich liebe es übrigens, dass hinter dem "zweiwöchig" ein Fragezeichen steht. That's the spirit! :D Jedenfalls schön, dass ich jetzt endlich nicht mehr die einzige bin, die wieder die Schul-/Unibank drücken muss. Ich gebe zu, es war ein bisschen einfach über die letzten Wochen hinweg. Und dass der halbe Freundeskreis in Afrika und Schweden und Prag herumreist, macht es auch nicht wirklich besser :D

    Mir gefällt übrigens der Grenzgänger-Gedanke in deinem Post besonders gut. Klar, eigentlich logisch, dass ein Klassiker gewisse Grenzen ankratzen muss. Obwohl ich bezweifle, dass das auf alle Klassiker gleichermaßen zutrifft. Sicher, viele haben Tabus gesprengt, aber nicht jeder Klassiker ist gleich ein Tabubruch gewesen. Ich bezweifle nämlich offen gesagt, dass schon mal jemand wegen Astrid Lindgren eine Revolution ausgelöst hat. (Notiz an mich selbst: Stelle ins Buch bringen, an der wegen Astrid Lindgren eine Revolution ausgelöst wird. Gute Idee.) - Aber beim Werther (oder auch bei Die Räuber) stimme ich dir vollkommen zu. Da ging - um es mal ein bisschen salopp auszudrücken - die Luzie ja wahrlich ab.

    Liebe Grüße und schöne Antwort,
    Antonia

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    1. Hey du :)

      Habe deine Herausforderung gesehen und angenommen. Mal sehen, was draus wird. Ist ja das allererste Mal, dass ich bei einem "Liebster Award" mitmachen kann/darf.

      Ich habe festgestellt, dass man nach mehreren Monaten, die es ja inzwischen sind, wirklich das Bedürfnis nach etwas Routine und Abwechslung und somit auch danach hat, dass es endlich los geht.Ich meine, fast nur zu Hause rumzusitzen ist verdammt langweilig, nervtötend und die meisten Menschen haben irgendwie die seltsame Angewohnheit, in solchen Situationen besonders dumme Ideen auszufressen. Und das will ich ehrlich gesagt nicht ausprobieren. Gott, Langeweile kann so tödlich sein! Vor allem auch für mein Bücherregal. Aber mit dem Schienenersatzverkehr der Deutschen Bahn hab ich ja jetzt erstmal meine gewünschte Abwechslung >seufz<. Zumal ich festgestellt habe, dass es sich bei dem Kurs genaugenommen um 9 Treffen, verteilt auf 4 Wochen, handelt. 2 Wochen Pustekuchen! Aber was solls, man kann schließlich nicht alles haben und so verteilt sich der Zugfahr-Stress wenigstens.

      Der Grenzgänger-Gedanke war mir auch sehr wichtig, vor allem auch, weil ich ja die eine Stelle über den Werther hatte. Aber es ist eine witzige Idee, dass es wegen Astrid Lindgren zu einer Revolution kommt. Solltest du wirklich in einem Buch verwenden. Vielleicht ein Projekt für den NaNoWriMo?

      Auch von mir ganz liebe Grüße zurück
      Skylife

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